Der Industriestrompreis – Ein Pro und Contra

Strom

Die Strompreise in Deutschland haben sich im internationalen Vergleich auf einem sehr hohen Niveau verfestigt, was in einer globalisierten Welt zunehmend zum Wettbewerbsnachteil wird. Vor diesem Hintergrund wird derzeit in Politik und Wirtschaft ein Industriestrompreis diskutiert. Subventionierte Strompreise sollen das Problem lindern, und energieintensive Branchen bei der Transformation zur Klimaneutralität unterstützen. Dabei stellt der Industriestrompreis ein kostenintensives und zum Teil unpräzises Instrument dar.

Neben hoher Beschaffungskosten belasten Umlagen und die Stromsteuer die deutschen Unternehmen stärker als andernorts und es ist abzusehen, dass der notwendige Ausbau des Stromnetzes sowie gesicherte Kraftwerkskapazitäten die Stromkosten weiter erhöhen werden. Auch die in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine gestiegenen Energiepreise sind nach wie vor eine große Belastung für die Konjunktur. Durch einen Industriestrompreis subventionierte Strompreise könnten der Industrie helfen, diese Belastung abzumildern.

Außerdem soll der Industriestrompreis, die besonders energieintensiven Branchen bei der Energiewende, hin zur Klimaneutralität bis 2045, unterstützen. Besonders energieintensive Industriezweige wie Chemie-, Stahl-, Aluminium-, Glas- oder Zementhersteller müssen eine Übergangszeit überbrücken, bis genügend Strom aus erneuerbaren Energien zur Verfügung steht. Damit die Industrieproduktion mit grünem Strom funktioniert, sind große Investitionen nötig. Und dafür brauchen die Unternehmen vor allem Planungssicherheit. Auch deshalb kann es sinnvoll sein, den Strompreis für die Industrie staatlich abzusichern.

Angesichts der prekären Lage, in der sich schon heute einige Standorte in Deutschland befinden, rufen auch die Ministerpräsidenten zum Handeln auf und haben Ihre Meinung bereits auf EU-Ebene vorgetragen; denn ein deutscher Industriestrompreis muss durch die EU genehmigt werden.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat bereits im Mai 2023 ein Arbeitspapier zum Industriestrompreis vorgelegt, in dem ein zweistufiges Vorgehen vorgestellt wurde. Um wettbewerbsfähige Strompreise sicherzustellen, schlägt das BMWK zunächst mittelfristig einen Brückenstrompreis von 6 ct/kWh für einen klar definierten Empfängerkreis vor. Dazu sollen Unternehmen bei Börsenstrompreisen über 6 ct/kWh die Differenz erstattet bekommen. Maßgeblich sei dabei der durchschnittliche Börsenstrompreis in dem jeweiligen Jahr. Die Unternehmen sollen somit weiterhin den Anreiz haben, Strom möglichst kostengünstig und somit marktdienlich zu beschaffen. Zudem soll der Brückenstrompreis nur auf 80% des Verbrauchs Anwendung finden, um Effizienzanreize zu schaffen. Als weitere Bedingungen nennt das BMWK u. a. Tariftreue, Transformationsverpflichtungen, und Standortgarantien.

In einem zweiten Schritt soll ein langfristiger Transformationsstrompreis Strom aus erneuerbaren Energien für die Industrie preisgünstig bereitstellen. Erneuerbare Energien sollen gezielt energieintensiven Unternehmen zugänglich gemacht werden, und das zu wettbewerbsfähigen Preisen. Diese langfristigen Maßnahmen sollen ohne direkte staatliche Unterstützung für die Unternehmen auskommen.

In einem Impulspapier kritisierte die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) den vom BMWK gewählten Ansatz. Dabei ergäben sich gesamtwirtschaftlich mehrere Nachteile:

  • Der subventionierte Strompreis könnte einige Konzerne bevorteilen, während kleine und mittlere Unternehmen benachteiligt würden. Vermutlich würde eine der einschlägigen Branchenlisten zum Einsatz kommen und damit direkt Nachteile für Teile der Wirtschaft schaffen. In jedem Fall wären Branchen jenseits der Industrie ausgeschlossen.
  • Es würde nur ein eingeschränktes Volumen (derzeit geplant etwa in der Größenordnung von einem Viertel des Industriestrompreis-kontingents in Frankreich) zur Versteigerung zur Verfügung stehen. Damit hätten Unternehmen einen Vorteil, die mit höheren Preisen klarkämen, da sie einen höheren Preis bieten und damit den Zuschlag bekommen könnten. Unternehmen, die einen sehr günstigen Strompreis benötigten, fielen durchs Raster. Das eigentliche Ziel des Industriestrompreises würde verfehlt.
  • Dem Staat würden ggf. erhebliche Kosten entstehen und es wäre zu erwarten, dass die Kosten auf alle anderen Stromkunden umgelegt werden würden.
  • Weder der Erzeuger des Stroms noch der Industriebetrieb nähmen weiter am Markt teil, da der Staat Ausfallrisiken komplett übernähme. Dies würde negative Auswirkungen auf die Liquidität insbesondere der Terminmärkte haben, da eine Absicherung der Anlagenbetreiber gegen Windflauten nicht mehr nötig sei. Zudem entfiele der Anreiz, flexibel auf kurzfristige Marktsignale zu reagieren, um beispielsweise bei geringen Marktpreisen den Windstrom in die Wasserstofferzeugung fließen zu lassen. Aufgrund des Ausbaus von Wind und PV würde flexibles Verhalten aber immer wichtiger. Sollte es sich um einen Endkundenpreis handeln, entfiele auch der Anreiz einer netzdienlichen Stromabnahme.

Anmerkung:

Die Einführung eines Industriestrompreises ist kritisch zu beleuchten. Ein Industriestrompreis muss nicht das einzige Instrument sein, um das Problem hoher Strompreise zu adressieren. So wird überlegt, die Stromsteuer von aktuell 2,05 Cent pro Kilowattstunde auf das EU-Mindestmaß von 0,05 beziehungsweise 0,10 Cent zu senken. Auch Differenzverträge (staatlich geförderte Verträge mit einer Preis-absicherung nach unten und einem Preisdeckel nach oben) sowie PPAs (Power Purchase Agreements), also längerfristige Grünstromlieferverträge zwischen Energieproduzenten und Abnehmern, vermögen Planungssicherheit und Investitionsanreize zu schaffen. Ein Industriestrompreis könnte dabei den Markt für PPAs bedrohen, da Strom aus konventionellen Energieträgern dadurch künstlich verbilligt wird und so der Anreiz zur Investition in erneuerbare Energien genommen wird. Zudem wirkt die Unterstützung durch einen Industriestrompreis nicht in der Breite, sondern nur auf die energieintensiven Branchen und ihre Großkonzerne. Der Mittelstand wird davon nicht profitieren und vermutlich sogar unter umso höheren Strompreisen zu leiden haben.

18.10.2023